Die sind anders. Die können was.
Hatte mir jemand im heillosen Getümmel und nach dem allerersten Meran-Konzert von THE ARTICIAL HARBOR zugeraunt. Wusste ich natürlich schon vorher, aber sah mich durch diesen Zuflüsterer absolut darin bestätigt, dass es die richtige Wahl gewesen war, die vier Wahlwiener plus eins (Schlagzeuger Nikolaus Comploj lebt als einziges Bandmitglied in Brixen) in den ost west club est ovest einzuladen. In den Gesprächen mit der Band hatte ich dann auch herausgehört, dass sie sich zumindest ähnlich geehrt fühlten, wie wir uns, als sie zum ersten Mal unsere kleine Holzbühne betraten. Wobei angemerkt werden muss, dass es nicht selbstverständlich und einfach ist, die Band für ein Südtirol-Konzert zu buchen, ATH spielen nicht überall und für jede/n. Umso besonderer war es für uns, dass wir es nach fast einem Jahr Vorgesprächen (die erste Anfrage datiert aus dem Februar 2015) endlich geschafft hatten, sie für einen Auftritt im Club zu gewinnen.
Der Laden war, so wie wir uns das erwartet hatten, brechend voll, jede/r wollte einen Blick auf die „Neohippies“ (FAZ) werfen, auch wenn wir konstatieren müssen, dass wir mit solcherlei Klischees nicht besonders viel anfangen können. ATH sind eine Band, die eben wirklich anders sind, weil sie für sich bestimmte Alleinstellungsmerkmale gefunden haben, die sie besonders durch ihre Musik und ihr Auftreten hervorheben und entsprechend auch mit dieser Attitüde spielen. Gerade Frontman Julian Angerer und Nora Pider am Piano ziehen sofort die Aufmerksamkeit der ZuschauerInnen auf sich. Angerer, weil er in seiner ganzen Art ein wenig an Pete Doherty (drogenfrei!) erinnert und Pider, weil sie mit ihren Tanzeinlagen hinter dem Keyboard eine künstlerische Note mehr in das schlüssige Gesamtkonzept der Band einbringt.
Die Musik, die mal zwischen Folk, Indie und Rock variiert, muss nicht allen gefallen, das ist auch gar nicht der Anspruch der fünf Bandmitglieder. Aber sie zeichnet sich eben dadurch aus, dass ihr Stil unverkennbar ist, dass es schwierig ist, sie in ein Raster zu pressen und sie mit anderen Bands zu vergleichen. Sie sind das was sie sind und vor allem das was sie sein möchten. Der beste Song ist neben „Summer Yo„, vor allem „Don’t let me drown„, das Konzept, die Ausführung und vor allem die mehrstimmigen Parts in diesem Song sind absolut schlüssig, eingehend und haben großen Wiedererkennungswert. Es macht gerade in diesem Song Spass und Eindruck der Band bei ihrer Arbeit zuzusehen. Das Tanzbein des äußerst interessierten Publikums ließ sich nur schwierig in Wallung bringen, auch wenn einzelne Tapfere in der ersten Reihe immer wieder zaghafte Vorstöße wagten. Das Gros der anwesenden ZuhörerInnen war vor allem darauf bedacht, die Atmosphäre und Stimmung, die spürbar mit Händen zu Greifen war, aufzusaugen und in dieses wohlige, klangliche Erlebnis einzutauchen.
The Artificial Harbor sind nicht nur eine der interessantesten Bands, die Südtirol in den vergangenen Jahren hervorbringen konnte, sie sind definitiv auch eine der professionellsten. Was man neben den sehr gut und von langer Hand kurierten Videos schon vorab gut erkennen konnte und was spätestens seinen Ausdruck darin fand, als die fünf Bandmitglieder bereits um 17.00 Uhr bei uns aufschlugen (normalerweise öffnen wir den Club nicht vor 18.00 Uhr) und von da an, mitsamt Tontechniker Hannes (Danke für den super Sound!) und dessen Profi-Mischpult über drei Stunden damit beschäftigt waren, an der perfekten Soundabstimmung zu feilen und das letztlich für einen Auftritt, der gerade einmal schlanke 60 Minuten dauerte.
Alles in Allem sind The Artificial Harbor eine beeindruckend-ungewöhnliche Band. Ob das „anders sein“ und „Können“ am Ende ausreichend sein wird, um den ganz, ganz großen Durchbruch zu schaffen, wird sich zeigen, aber was feststeht, ist, dass die Band nicht so schnell aus den Köpfen der Menschen verschwinden wird, die einmal in den Genuss eines ihrer Auftritte kommen durften. Wir wünschen ihnen auf jeden Fall alles erdenklich Gute und bedanken uns für einen nicht alltäglichen Bühnenauftritt, voller toller musikalischer und künstlerischer Elemente und Eindrücke.
Die Fotos bei sehr schwachem „Blaulicht“ hat dankenswerter Weise Petra Schwienbacher für uns geknipst.
[SlideDeck2 id=9307 ress=1]