Über Beeinträchtigungen die keine Unterscheidungs-gründe sind, eine der besten Bands des Landes und den kategorischen Imperativ – east west’s week review #51
Liebe Mitglieder, In der 51. Ausgabe des east west’s week reviews geht es dieses Mal um allzu unterschätzte Südtiroler Bands, Menschen mit Beeinträchtigung, die Frankfurter Schule und um crowdsurfing auf allerhöchstem Niveau. Außerdem geht es auch dieses Mal um die Menschen hinter unseren Projekten und Gesellschaftstrends und Verhaltensweisen, denen man nur den Mittelfinger entgegenstrecken kann. Aber dazu nachfolgend mehr.
Die ost westliche Woche begann am Mittwochabend wieder mit unserem Lindy Hop Abend und bei guter Swingmusik durfte wieder munter drauflos getanzt werden. Unsere tanzfreudigen Mitglieder rund um Katharina und Co. waren gekommen um sich bei extrem kühlen Außentemperaturen in unserem Tanzsalon aufzuwärmen und die Gelegenheit zu nutzen ihre Tanzkünste weiter auszubauen.
Einen Tag später fand dann wie immer am ersten Donnerstag des Monats Theater im Club statt. Unter dem Titel „voLL kReatiV … voLL iNklusiV“ haben wir in Zusammenarbeit mit dem Südtiroler Theaterverband einen Theater-Workshop für Menschen mit und ohne Behinderung veranstaltet. Betreut wurde die Gruppe von der Theater- und Tanzpädagogin Sonja Ellemunt aus Bruneck und unserer Theaterverantwortlichen Stefanie Nagler. Nach einer kurzen Einwärmrunde haben die anwesenden Workshop-Teilnehmer verschiedenste Übungen unternommen und anschließend gemeinsam auch eine kleine Tanzchoreographie einstudiert. Gemeinsam mit Menschen mit Beeinträchtigung wurde somit ein Workshop veranstaltet, der dazu diente Barrieren abzubauen und sich besser kennenzulernen. Es war ein schöner Abend, der uns sehr gut vor Augen geführt hat, dass eine Beeinträchigung noch lange kein Unterscheidungsgrund sein muss. Außerdem freut es uns jetzt schon anzukündigen, dass wir diese Theatergruppe rund um Sonja Ellemunt bereits im März wieder für einen weiteren besonderen Theaterauftritt bei uns begrüßen dürfen. Im Anhang findet ihr einige Fotos von diesem Abend, die von Stefanie Nagler geknipst wurden.
Am Freitag hat uns dann eine Band im Club besucht, die wohl zu den meist unterschätztesten Musikprojekten des Landes zählt. Ferbegy? aus Bozen waren zum letzten Mal vor rund drei Jahren bei uns zu Gast und am vergangenen Wochenende hatten wir dann die Ehre die Band um Dario und Anna Mongelli, Federico Groff und Alessandro Damian bei uns zu begrüßen. Ferbegy? hatten ihr vor Kurzem erschienenes Album Round About (bei riff records erschienen) mitgebracht und uns einen Abend beschert, den wir so schnell nicht vergessen werden. Schon kurz nach 18.00 Uhr und nachdem wir den Club geöffnet hatten, waren die vier Musiker auf unserer Bühne und zeigten eindrucksvoll wie professionell sie ihrer Arbeit nachgehen. Der Soundcheck dauerte rund zwei Stunden, schließlich wollte man nichts dem Zufall überlassen. Und das Resultat ließ sich dann mehr als nur sehen. Gegen 21.30 Uhr und kurz vor Beginn des Auftritts war unser kleiner Konzertsaal schon sehr gut gefüllt und als die vier Musiker dann loslegten, gab es kaum noch freie Plätze im Club. Rund 60 Mitglieder (viele extra aus Bozen gekommen) wollten sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen dieses Konzert mitzuverfolgen. Als Ferbegy? dann die ersten Songs gespielt hatten, entstand für die Zeit des Auftritts (rund eine Stunde) eine Atmosphäre im ost west club, die seines Gleichen suchte. Wohin man im Club auch blickte, man sah entweder in Gesichter mit geschlossenen Augen, die wie in Trance zum Sound von Ferbegy? schwebten oder ein solch‘ breites Grinsen auf ihren Lippen hatten, dass einem nur wohl ums Herz werden konnte. Ferbegy? bezeichnen ihre Musik selbst als „folktronica-indie-rock“ und wir können an dieser Stelle bestätigen, dass es mindestens vier Musikrichtungen sind, die diese Band in ihren Auftritten auf geniale Art und Weise verbinden. Die vier Musiker ergänzen sich nahezu perfekt. Dario Mongelli an Gitarre und zweiter Stimme ist das Hirn der Band und seine Schwester Anna an den Keyboards und Stimme das Herz der Truppe. Dazu kommt mit Alessandro Damian ein Bassist, der gefühlt ein komplettes Konzert mit geschlossenen Augen und mit dem Rücken zum Publikum spielt und derart einfühlsam auf die Stücke einwirkt, dass einem beim bloßen Zusehen, der Atem stockt. Und zudem haben Ferbegy? mit Federico Groff einen Profischlagzeuger am Werk, der die Schlagzeug-Parts mit einer derart atemberaubenden Geschwindigkeit und Sicherheit spielt, dass einem fast schon schwindlig wird. Der ost west club hat in all den Jahren viele gute Drummer auf seiner Bühne erleben dürfen, aber was Groff uns an diesem Abend dargeboten hat, sucht seinesgleichen. Der Sound bzw. das ganze Album ist derart schlüssig und in sich abgestimmt, dass wahrscheinlich nicht einmal die größten Musikkritiker etwas an diesem Werk auszusetzen hätten. Unsere Lieblingssongs sind definitiv „How many times“ und „They see you alone“ und auch noch am Montag Morgen im kalten ost west Büro können wir nicht aufhören diese wunderbare konzipierte CD rauf und runterzuhören. Wer am Freitag nicht mit dabei war, hat definitiv einen unvergesslichen Auftritt verpasst und die am Merchandise-Stand verkauften CD’s sind wie die warmen Semmeln an unsere Mitglieder gebracht worden. Auch wenn die Qualität auf youtube natürlich nicht mit jener auf der CD vergleichbar ist, haben wir hier das Album für euch angehängt, damit auch all jene in den Genuss kommen können, die am Freitag nicht die Gelegeneheit hatten sich das Konzert anzuhören bzw. die CD zu kaufen und sich die Musik der Bozner zugänglich zu machen. Wir verneigen uns vor einer der mit Abstand besten Südtiroler Bands und empfehlen euch dringend beim nächsten Live-Auftritt von Fergeby? mit dabei zu sein. Dario, Anna, Alessandro und Federico sind nicht nur überragend gute Musiker und Musikerinnen, die es sich eigentlich verdient hätten auf den großen Bühnen dieser Welt aufzutreten, sondern es sind mittlerweile auch Menschen für uns geworden, die wir ins Herz geschlossen haben. Ihre Bescheidenheit und ihr unprätentiöses Auftreten sind nur ein weiterer Beweis dafür, dass es sich hier um eine Band handelt, deren Seele sich ganz der Kunst verschrieben hat. Im Anhang findet ihr einige Fotos vom Konzi die dankenswerterweise von Föbe gemacht wurden.
Am Samstag hatten wir dann ein Doppelkonzert und eine Musikrichtung im Programm das zwar im Unterschied zum Auftritt von Ferbegy? um einige viele dutzend Dezibel stärker auf die Ohren schlug, aber für alle Fans von guter Thrash-Metal Musik nicht minder interessant war. Neben der Oberlananer Formation Unkraut, durften wir zum ersten Mal überhaupt die Innsbrucker Insanity Alert bei uns begrüßen. Auch bei diesem Konzi war der Club bis auf den letzten Platz gefüllt und rund 55 Mitglieder wollten sich die Mosh-Pits nicht entgehen lassen. Unkraut haben den Abend mit einem rund halbstündigen und kompakten Set perfekt eingeleitet und wussten mit Felix (Gesang), Wolfi (Gitarre), Chris (Bass) und Pane (Schlagzeug) mehr als nur zu überzeugen. Ihr Sampler „Lieder für törrichte Ohren“ ist ein wunderbarer Beweis dafür, dass der Underground gerade im Burggräfler Raum definitiv kein Nischendasein fristet. Songs wie „Lebensweg“ und allen voran „Zähne zeigen“ haben ein überaus ansprechendes Niveau und wissen nicht nur mit fetzigen Gitarrenriffs und Schlagzeugparts zu überzeugen, sondern haben auch textlich einiges zu bieten. Anschließend an den Auftritt von Unkraut war es dann endlich soweit und eine der mit Abstand besten und bekanntesten Thrash-Metal Formationen Europas gaben sich zum ersten Mal auf unserer kleinen Holzbühne die Ehre. Dave Of Death (Gitarre), Don Melanzani (Schlagzeug), Zola Gorgon (Bass) und Heavy Kevy (Stimme) sind eine Formation, die ihre Musik mehr als nur leben. Dabei sei an dieser Stelle angemerkt, dass Insanity Alert nicht nur einen fetzigen Sound spielen, sondern, dass es sich um vier wirklich überragend feine Zeitgenossen handelt, die wir nach ihrem Auftritt nur schweren Herzens wieder aus Meran verabschiedet haben. Den vier Innsbruckern ist es noch nie um fame und irgendwelche Schulterklopfereien gegangen, sondern es war immer die Liebe zum Thrash-Metal die die vier Bandmitglieder verbunden hat. Und dies konnte man am Samstag bei ihrem Auftritt eindrucksvoll beobachten. Wenn man den Innsbrucker Jungs bei ihrer Arbeit zusieht, dann kann man an solchen Auftritten nur seine hellste Freude haben. Dave spielt sein Instrument, als ginge es um sein Leben und Kevy unterhält das Publikum nicht nur während der Songs, sondern mit einer Bühnenshow, die keinerlei Punkt und Komma kennt. Allein schon sein Auftritt ist jeden Konzertbesuch 100 Mal wert. Gleichzeitig gibt es bei den Auftritten von Insanity Alert eine Bühnenshow und derartigen Krawall und Remmidemmi zu erleben, mit der allerhöchstens noch Bands wie Deichkind mithalten können. Egal ob irgendwelche selbstgemalten Schilder mit Aufschriften wie „Mosh-Pit“ oder „Head-Banging“ ins Publikum gehalten werden oder zur Krönung der Sänger der Band auf einer Styroporplatte crowdsurfing veranstaltet, bei einem Konzert mit den Innsbruckern wird es nie langweilig. Sehr schön für uns an diesem Abend war auch zu beobachten, dass die Thrash-Metal Szene auch hierzulande noch sehr aktiv zu sein scheint und gerade dabei ist ein kleines Revival zu erleben. Das Doppelkonzi war ein beeindruckend guter Beweis dafür, dass nicht alle jungen Menschen in diesem Land sich auf irgendwelchen Weihnachtsmarkt-Besäufnissen zusammenrotten, sich zu Tode shoppen oder ihre Energien in irgendwelche Fitness- und Schönheitstrends, oder beim Messen des eigenen Body-Mass-Indexes verschwenden, sondern, dass es noch so etwas wie ein Leben außerhalb all dieser Gesellschaftsblasen gibt, durch die schon längst das rechte Maß für die wirklich wichtigen Dinge in unserem kurzen Erdenleben vergessen worden sind. Es gibt noch Menschen in unserem Land, die noch so etwas wie Werte und Gemeinschaftssinn in sich spüren und ihren Sport darin sehen, sich bei einem Circle- oder Mosh-Pit komplett zu verausgaben, um sich anschließend gegenseitig in den Armen zu liegen. Es gibt noch so etwas wie Jugendkultur, die darin Ausdruck findet sich Kutten anziehen und mit Bandshirts durch die Gegend zu laufen und denen es einfach nur am Allerwertesten vorbeigeht, was als sogenannte Schönheitsnorm in Gesellschaft und Medien vermittelt wird. Es sind junge Menschen und Heranwachsende die anstatt ihre perfekt gestählten Körper auf irgendwelchen instragram-Kanälen zur Schau zu stellen, lieber ihrer Lieblingsband nachfahren und Musiker supporten, die noch so etwas wie ein Ideal in sich tragen und eine Botschaft an ihr Publikum vermitteln möchten. Dass wir diesen Leuten ein Rückzugsort sein dürfen macht uns stolz wie Oskar und wir werden auch nicht müde werden, diese Dinge mit Nachdruck und Woche für Woche festzustellen. Es ist ein Teil dessen was den ost west club in all seiner Geschichte definiert hat und auch in Zukunft weiter ausmachen wird. Es gibt und frei nach Adorno zitiert „kein richtiges Leben im Falschen“ sondern es gibt in unserer Gesellschaft eben sehr wohl noch so etwas wie Spielregeln, Werte oder kategorische Imperative, die nicht von einer Religion vorgegeben werden müssen, sondern die letztlich eigentlich das kleinste Kind versteht. Sollte man meinen. Für alle anderen haben wir nicht einmal mehr so etwas wie Verachtung übrig, sondern möchten da schlichtweg nur unsere Innsbrucker Lieblingsthrasher sprechen lassen und ihnen sagen: F*** this s**t!!
Ein besonderer Dank geht an dieser Stelle wie immer an Alperia für die Unterstützung unseres Tätigkeitsprogramms.
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