Über Newcomer und nicht schließbare Kinnladen

Am letzten regulären Programmabend vor der großen Silvestersause hatten wir der Jugend noch einmal den Platz auf unserer Bühne reserviert. Und wer an diesem Abend im Club mit dabei war (viel zu viele haben sich die beiden wirklich sehr guten Bands leider entgehen lassen), der konnte sich davon überzeugen wie viel musikalisches Potential in vielen jungen Menschen bzw. Musikern steckt. Der Hauptact des Abends waren die Münchner Indie-Rocker von MARVPAUL, die überhaupt und zum allerersten Mal für ein Konzert über den Brenner und nach Südtirol gefahren sind. Und weder wir, noch die vier überaus sympathischen Jungs waren am Ende enttäuscht. Ganz im Gegenteil.

Schon von Beginn an schienen sie sich bei uns wohl zu fühlen und haben dann auch einen Auftritt hingelegt, der vor Professionalität nur so strotzte. Clemens Techmer, Maximilian Haberland, Gregor Poglitsch und Joachim Ferstl sind zusammen jetzt schon eine Band, die überaus professionell und reif daherkommt. Das ganze Projekt Marvpaul hat Hand und Fuß und neben einem eigenen Tourmanager (Danke an Felix!) hatten sie auch eine Menge gute Laune und Können in ihrem Repertoire.

Das ganze Set der Münchner ist sehr eingängig und absolut stimmig, der Song „Fange an!“ ragt dabei heraus und steht stellvertretend für ihren musikalischen Stil. Bei der Flut an talentierten Bands, die es mittlerweile im deutschsprachigen Raum gibt, wird es auch für die vier jungen Herren nicht leicht sein, den großen Durchbruch zu schaffen, aber es würde uns schon sehr wundern, wenn man in Zukunft nicht noch öfter von ihnen hören wird. Marvpaul bieten neben Ohrwürmen, mehrsprachigen, sauberen Gesang und viel Tempo vor allem gute Unterhaltung und man kann der Formation nur wünschen, dass sie diesen Weg auch weiter konsequent gehen wird.

Bei all den warmen Worten für die eh schon sehr gute Band Marvpaul, könnte man jetzt erwarten, dass die Vorband des Abends in ein paar kurzen Sätzen abgefertigt werden wird, aber nicht umsonst, fällt die Reihenfolge im Gegensatz zur stagetime hier in umgekehrter Reihenfolge aus und das aus einem simplen Grund: ENROSATURA sind für uns die Überraschung des Jahres und unserer Meinung nach der neue Stern am Südtiroler Musikhimmel und das ohne den kleinsten Funken der Übertreibung. Im ost west club est ovest bekommt Frau oder Herr Mitglied ja gut und gerne an die 60 Live-Konzerte im Jahr zu sehen, aber das was uns die drei Jungs mit dem nicht alltäglichen Bandnamen an diesem Abend um die Ohren gehauen haben, ist nicht nur aller Ehren wert, es macht unglaublich große Lust auf mehr und hat fast alle der anwesenden BesucherInnen ebenso staunend zurückgelassen wie uns.

Das Konzept ist einfach gestrickt, aber dafür umso effektiver. Gitarre, Schlagzeug, Bass. No need for more. Enrosatura um den großartigen Frontsänger Thomas Neulichedl hören sich an wie Pearl Jam mit Druck und haben außerdem mit Maximilian Erler einen überragenden Mann am Schlagzeug sitzen. Tobias Venzo (eigentlich Bassist bei der Meraner Reggae-Formation Red Haze) am Bass rundet das simple, aber umso genialere Band-Projekt perfekt ab. Der Sound ist eine Mischung aus Grunge und Alternative Rock und der Vergleich mit Eddie Vedders großartiger Band oder auch der zweiten stilprägenden Band jener Generation, Soundgarden, ist zwar noch ein wenig groß, aber er zeigt auf jeden Fall die Richtung auf, in die es für Enrosatura noch gehen könnte.

Die beiden Songs „Summer dies Always“ und „The Torch“ haben dermaßen großes Ohrwurm-Potential, dass man seinen Lauschern manches Mal nicht zu trauen wagt, wenn die drei jungen Herren loslegen. Thomas Neulichedl ist Herz und Hirn der Band und vermittelt auf derart glaubwürdige Weise, wie ernst es ihm mit seiner Musik und seinen Texten ist. Die Lyrics sind überaus philosophischer Natur und passen perfekt zum Projekt Enrosatura. Auch der Song „Lule River, Upwards„, der stilistisch zwar einen Bruch darstellt, da eher dem Countrypunk zuzuordnen, ist insgesamt aber absolut schlüssig und besteht aus starken und griffigen Parts, die sofort zum Mitgröhlen animieren.

Wie ihr selbst lesen könnt, war der Schreiber dieser Zeilen nach dem Konzert nicht mehr imstande seine Kinnlade zu schließen und hellauf begeistert von dem, was ihm an diesem Abend dargeboten wurde. Enrosatura haben zwar schon einen Kurzauftritt in der vergangenen Saison bei uns hingelegt, aber mehr als ein halbes Jahr später musikalisch noch einmal zugelegt und scheinen nun endgültig und spätestens mit der Hinzunahme der Bass-Gitarre ihre Bestimmung gefunden zu haben. Wenn noch etwas mehr Gelassenheit, bessere Abstimmung und Sicherheit in den Auftritt von Enrosatura kommt, dann erwartet die Südtiroler Musikszene eine Bandformation, die es mit Allen und Jedem aufnehmen kann.

In unserer persönlichen Hitlist haben sie definitiv und ohne Umschweife Platz eins der bisher besten Live-Bands in dieser Saison erklommen und es wird für alle anderen nachfolgenden Gruppen bis Ende Mai sehr schwer werden, diese drei Jungs noch zu toppen. Jene Band, die es schaffen sollte, wird kurz vor der Sommerpause noch eine weitere Möglichkeit bekommen ein zweites Mal im Club aufzutreten. Ob das einer Band gelingen wird, werden wir aufmerksam beobachten, unser Tipp ist aber, dass es Enrosatura sein werden, die sich den Titel für den besten Auftritt einer Bandformation in der Saison 2015/2016 abholen werden. 😉

Wir bedanken uns bei Marvpaul und Enrosatura für einen beeindrucken Konzertabend und lassen am Ende noch die super Fotos von Philipp „Flyle“ Unterholzner sprechen. Vielen Dank auch dafür!

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