Il luogo del possibile oder über eine nicht mehr ganz so utopische Oase der Freiheit – east west’s (monthly) week review #75
Liebe Mitglieder und Freund*innen des ost west country clubs, seit ziemlich genau einem Monat haben wir unsere Sommerresidenz nun für euch geöffnet und damit ist auch schon wieder ein Drittel dieses Sommers ins Land gezogen. Es waren bisher fünf Wochen an denen wir unsere kleine Oase inmitten der Passerstadt mit Kulturveranstaltungen lebendig gestaltet haben. Und immer wieder bekommen wir von den Menschen aus Nah und Fern allerlei Lob und ermutigende Worte für dieses Projekt. Alleine schon deshalb ist es an der Zeit ein wenig auf das Geschehene und Erlebte der vergangenen Wochen zurückzublicken und beim east west’s (monthly) week review #75 dem freien Wort ein wenig seinen Lauf zu lassen und eine kleine Ode an unseren Lieblingsort zu schreiben.
…Dort in der Nähe des ehemaligen und ersten Meraner Friedhofs, umsäumt von großen Tannen, Palmen und allerlei anderen schattenspendenen Bäumen und Sträuchern spielen die Allerkleinsten Fangen oder wühlen in der Sandkiste, trifft man auf scheue indische Frauen in wunderschönen bunten Kleidern, die an heißen Sommertagen die vielen Liegestühle zum Entspannen nutzen, auf fleißige Arbeiter*innen die am Abend ihr wohlverdientes Feierabendbier genießen, auf Jugendliche, die endlich einen Ort als Freiraum ohne Konsumpflicht inmitten der Stadt für sich nutzen dürfen, auf Menschen mit Beeinträchigungen, die dort keine Beeinträchtigungen erfahren und auf Obdachlose, die zusammen mit all den anderen Fußballbegeisterten WM-Spiele gemeinsam verfolgen oder sich einfach nur in die Wiese setzen und dem bunten Treiben auf unserer kleinen, aber sehr feinen Holzbühne staunend folgen. Im ost west country club wird Ping Pong und Federball gespielt, die Calcetto-Bälle ruhen so gut wie nie und nach 23.00 Uhr und wenn verstärkte Live-Musik aus der Anlage nicht mehr gestattet ist, setzen sich Musiker*innen auf den Boden, zücken ihre Gitarren, ölen ihre Stimmen mit kühlen Getränken und treffen sich zu spontanen sing-alongs und zufälligen Jamsessions, wo Lieder über Frieden gesungen werden. Literatur- und Bücherfreunde tauschen Textzeilen aus und Musikbegeisterte tanzen zu allerfeinsten, sommerlichen Reggae-Klängen und jeder scheint dem anderen sein zufriedenes Lächeln zu gönnen. Geflüchtete Menschen spielen gemeinsam mit Festangestellten und Besserverdienern, die Grenzen sind bekanntlich nur in unseren Köpfen, aber eigentlich nie in unseren Herzen. Und unsere Herzen sind an diesem magischen Ort, so friedlich und voll, Entspannung und Muße hat man hier von mutigen Romanfiguren wie Pippi Langstrumpf und Karlsson vom Dach gelernt. Es wird gescherzt und geblödelt, es wird sich umarmt, geküsst und zugehört. Liebe wird bekanntlich aus Mut gemacht und dieser findet hier zwischen kunstvoll gestalteten und selbstbemalten Stühlen, Tischen und Wänden, die an Warhol erinnern, seinen Platz und hebt sich wohltuend vom allzu sichtbaren Einheitsbrei ab. Der Exzess liegt hier in weiter Ferne, man geht respektvoll und behutsam mit dem Nächsten um, für Gewalt und Eskalation lassen die beruhigend wirkenden Baumreihen keinerlei Platz. Immer wieder und für kurze Momente scheint die Zeit für einen Augenblick stillzustehen. Die Abendsonne taucht den kleinen Park in gleißendes Licht und nachts entzünden sich kleine bunte Lämpchen und zeigen die Kleider und Gesichter der Menschen in den allerschönsten Farben und Mustern. Wir atmen, sprechen und berühren anders.
Das ehemalige Minigolf-Gelände ist für viele Menschen in und um Meran zu einem nicht mehr wegzudenkenden Rückzugsort, zu einer kleinen Oase der Freiheit und zu einem Ort des Möglichen („Il luogo del possibile“) geworden, wie eines unserer treuesten Mitglieder vor Kurzem zu uns gesagt hat. Der ost west country club ist zu einem utopischen und ein wenig anarchischen Treffpunkt für Menschen aller Generationen, Geschlechter und Sprachgruppen. geworden. Auch wenn wir die Augen vor dem was dort draußen immer stärker und bedrohlicher brodelt, nicht schließen wollen, uns dem Unrecht der etrinkenden Menschen lauthals und kampflustig entgegen stellen möchten und uns wünschten den aufkeimenden Hassbotschaften unsere zärtliche Hand entgegen zu strecken, weil wir unsere Batterien dort für kurze Zeit ein wenig aufladen durften, bleibt am Ende doch nur wieder die Sehnsucht nach einem grundsätzlichen Neuanfang und dem Bewusstsein, dass ein Tropfen den Stein zwar höhlt, aber die Langsamkeit mit der sich Dinge verändern, allzu schleichend und quälend voranschreitet. Aber vielleicht ist es nur die Melancholie des stillstehenden Momentes, der einem für kurze Zeit die Kehle schnürt, aber doch beim nächsten Atemzug und gespielten Akkord wieder Hoffnung für Besseres schafft. Wahrlich ist dieser Ort nicht nur Ort, sondern derart stark Gefühl und Labsal, dass wir ihn noch hoffentlich lange als solchen spüren, schnaufen und erfühlen dürfen.
Im Anhang findet ihr eine erste Fotoauswahl all der wunderbaren Menschen, die den ost west country club mit ihrer Kunst mitgeholfen haben durch Lebendigkeit und Tatendrang zu füllen. Wir bedanken uns bei den Fotografinnen und Fotografen (namentlich: Damian Pertoll, Sonja Steger, Gerd Reinstadler, Laura Zindaco) für das Festhalten der innehaltenden Zeit und laden euch herzlichst ein, in eines dieser auch in den nächsten Tagen und Wochen auftretenden Stimmungsbilder einzutauchen und euch eure Stadt ein klein wenig zurückzuholen.
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Abschließend möchten wir uns wie immer bei Salon Habicher, Alperia, CityLiving2.me/Pohl Immobilien und den öffentlichen Institutionen beim Amt für deutsche und italienische Kultur, sowie beim Amt für deutsche und italienische Jugendarbeit und der Gemeinde Meran für die Unterstützung unseres Tätigkeitsprogramms bedanken.